Die Ergründung von Natur und Mensch

José de Acostas Beschreibungen seiner Erlebnisse und Beobachtungen in Süd- und Mittelamerika

Unsere moderne Welt ist bis ins kleinste Detail erforscht, vermessen und verzeichnet. Keine fernen Länder oder fremde Kontinente sind mehr zu entdecken. Es ist daher schwierig, die Faszination nachzufühlen, die die Europäer im 15. und 16. Jahrhundert für die „Neue Welt“ empfunden haben müssen.

Eine Faszination, der sich auch der Spanier José de Acosta nicht entziehen konnte. Schon als Kind hatte er den Erzählungen der Konquistadoren gelauscht. In jungen Jahren trat er als Novize dem Jesuitenorden bei und schloss 1562 sein Theologiestudium ab. Im Jahr 1571 brach er in Begleitung mehrerer Ordensbrüder als Missionar in Richtung des spanischen Vizekönigreichs Peru auf. Insgesamt verbrachte er sechzehn Jahre in Südamerika, davon die letzten vier in Mexiko.

Er reiste viel und kam dabei oftmals mit den Ureinwohnern der „Neuen Welt“ in Kontakt, die eine große Faszination auf ihn ausübten.  Seine Erlebnisse und Beobachtungen schrieb er akribisch nieder. Seine Manuskripte wurden die Grundlage für mehrere Bücher, die er nach seiner Rückkehr ins spanische Königreich publizieren ließ.

Das erfolgreichste dar­unter und Objekt dieser Ausstellung: Die  Historia Natural y Moral de las Indias. Aufgrund seiner Beliebtheit fand es innerhalb kurzer Zeit weite Verbreitung im ganzen europäischen Raum und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Schon vor Acostas Werk war eine Flut an Schriftstücken aus der „Neuen Welt“ nach Europa gelangt, meistens Erlebnisberichte der Konquistadoren und Missionare.

Acosta jedoch verfolgte einen anderen Ansatz. Er wollte nicht nur beschreiben was er erlebt und gesehen hatte, sondern dabei auch den Ursachen und Gründen nachgehen. Daraus erklärt sich auch der universelle Anspruch seines Werks. Seine Arbeits­weise wird später Alexander von Humboldt beeinflussen, der ihn als „Begründer der Physikalischen Geographie“ bezeichnete.

Acosta untersuchte allerdings nicht nur natur­wissenschaft­liche Phänomene, wie  Erdbeben, Vulkane, Magnetismus, Winde und Gezeiten, sondern auch die Ureinwohner Südamerikas selbst: Ihre Gesellschaft, ihre religiösen Praktiken und ihre Geschichte ausgehend von der Ankunft der Spanier. Obwohl Acosta gewisse Bräuche der Ureinwohner, wie beispielsweise Götzenverehrung und Menschenopfer verurteilte, wird anhand der ausgestellten Doppelseite deutlich, welch kritisches Verhältnis er zur Behandlung der Ureinwohner seitens der Spanier entwickelt hatte.

Dabei stellte er sich klar gegen die damals weitverbreitete Meinung, dass es sich bei ihnen um nicht mehr als rohe, brutale und geistlose Wesen, dem Tier näher als dem Menschen handele. Er verweist auf die Errungenschaften ihrer untergegangenen Reiche, Bauwerke und Kunstschätze und versucht Gemeinsamkeiten statt Unterschiede in den Vordergrund zu rücken. Damit verfasste er ein vor allem für die damalige Zeit beeindruckendes Plädoyer für den Humanismus, der in dieser Form und Ausgeprägtheit nur unter wenigen seiner Zeitgenossen verbreitet war.